Deutschland,  Europa

Norderney

Zugegeben, ein Urlaub an der Nordsee schaffte es bisher nicht auf meine Nummer eins bei Reisezielen. Das liegt natürlich nicht an der guten Luft und den langen breiten Sandstränden, sondern vielmehr an den unberechenbaren Wettervorkommnissen. 

Während Urlaub mit Kind ja eh nicht mehr der Urlaub ist, den wir von früher kennen, aus denen man regeneriert bis in die letzte Haarspitze zurückkehrt, ist es mir umso wichtiger, wenigstens eine möglichst gute Wetter Aussicht zu haben.

Aber Corona hat uns alle verändert. Und so ist die Fliegen-Option einfach momentan nicht die reizvollste und die 8 Stunden Autofahrt in den Norden auf einmal gar nicht mehr so lang.

Abends loszufahren war ein Geniestreich. Der kleine Zwerg schnorchelt bereits eine halbe Stunde später friedlich im Sitz bis zu unserem Zwischenstopp in Lüdenscheid. Kleine Spielrunde im Hotelzimmer, dann fallen wir alle ins Bett. 

Nach einem ausgiebigen Frühstück am nächsten Morgen fahren wir weiter. Hier wird es zwischendrin echt zäh. Konstantes Gemecker aus dem Rücksitz. “Das dauert so lang” “Wann sind wir endlich daaaa” “Diese blöde Deutschland dauert so lang!”

Aber auch diese vier Stunden vergehen. Und während wir zur Fähre am Norddeich fahren, durchfahren wir Sonnenschein und stürmische Regen-Unwetter, ein kleiner Vorgeschmack auf unseren Urlaub.

Wir haben Glück, der Bus Shuttle erwartet uns und direkt und nach Ankunft am Hafen startet die Fähre. Eine knappe Stunden später legen wir auf Norderney an und 30 min später sind wir in unserer Ferienwohnung mit Blick aufs Meer. 

Endlich da!

Es ist frisch und windig, aber die Luft fantastisch. Junior will trotz später Stunde sofort zum Meer. Einmal über die Straße und schon da, somit ein Leichtes. Wohl klar, dass Junior direkt einmal losbuddeln will. So kann ich wenigstens in Ruhe die Koffer auspacken, während die beiden Herren den Sand drapieren.

Ein neuer Tag bricht an. Es hat weiter 16 kühle Grad, aber die Luft ist klar und gut. Wir spazieren zum Strand und genießen die Stille. Der Buddelmeister ist voll im Element. Der Weg zum Wasser holen ist ein echter Marsch, aber das macht wenigstens schön müde.

Das Wetter soll morgen auch noch gut sein, zumindest kein Regen. Wir wollen uns die Insel etwas genauer ansehen, aber mit unserem kleinen lauf-faulen Kerl eher herausfordernd. Da kam uns die Idee, ein Lastenrad auszuleihen. Ob es die nordische Kühlheit oder versnobte Arroganz ist, lässt sich schwer unterscheiden, die Art und Weise wie wir aber in verschiedenen Fahrradläden behandelt werden, lässt uns eher den Kopf schütteln. Während 98% Prozent der Fahrrad-Verleihe nicht mal eine anständige Homepage hatten, wo man Preise und Modelle sehen kann und wir uns deshalb auf den Weg in die Stadt machen, um uns vor Ort zu erkundigen, werden wir bei Nordsee-Bike wie Neandertaler behandelt, weil wir nicht online gebucht haben. Beim Toni kommt noch das verächtliche Kopfschütteln hinzu, weil wir ja nicht drei Monate im Voraus gebucht haben. Corona Zeit? Wer bucht aktuell drei Monate im Voraus? Sorry, die Insel ist wunderschön, aber ihr seid auch “nur” ein Fahrradverleih.

Freundlich geht anders.

Bei einem ebenfalls herben aber sichtlich bemühten Herrn in einem kleinen Laden werden wir fündig, zwar kein Lastenrad, aber wenigstens ein Kindersitz und schon lässt sich Junior den Wind um die Ohren flattern

Ein neuer Tag bricht an, mit dem Fahrrad diesmal ein kleines Stückchen weiter, es ist noch immer der Nordstrand, aber noch breiter und noch weiter und vor allem: Menschenleer. Einfach nur wunderschön.

Wetterumschwung.

Leider hat uns das Nordsee-Wetter eingeholt. Es ist kalt, trüb und regnet Bindfäden. Während Junior bestens ausgerüstet ist und mit Regenjacke und Schal dem Wind trotzt schnattere ich im Stylo Lederjäckchen und meinen Sandalen. Der nächste Trip in den Süden kommt bestimmt.

Meine Gene sind wohl leider erblich, denn auch Junior hat plötzlich so kalte Füße, dass nur noch Papa ihn tragen kann. So kommandiert er ihn zum Möwen verjagen und endet mit dem Satz “wir sind ja noch eine Weile da, gehen wir lieber heim.”

Schön-Wetter-Sandler also. Ganz die Mama.

Weil die Großeltern unsere Urlaubskasse unterstützt haben, wollen wir uns ein leckeres Essen gönnen. Wir folgen den Online Hinweisen, rechtzeitig zu reservieren und erfahren wieder echte Servicementalität – NICHT. Die Wirtin sitzt laut ihrer Aussage “daheim auf dem Sofa und hat da ja kein Gästebuch” und somit können wir auch nicht reservieren. Morgen ist zu und dann ja “einfach wieder anrufen”. Wow. Manchmal wäre ein Anrufbeantworter wirklich besser. 

Weil ich einfach doch soo gern mal ein Lastenrad ausprobieren würde, springe ich über meinen Schatten und buche aus Mangel an Alternativen online bei besagtem “Charismeur”. Deutlich freundlicher nimmt er unsere Online Buchung entgegen und wenige Sekunden später rauschen wir mit dem Riese & Müller Ebike davon. Was soll ich sagen?

Wir lieben es. Wir wollen es behalten. Für immer.

Junior sitzt wie der Oberchef vorne mit Blick auf wilde Häschen und Pferde und grölt im Sekundentakt ein “gute Reise Mama” nach hinten. Turbo Gang gefällt ihm am besten. Der Fahrtwind schießt uns um die Ohren und die kleinen Hügel lachen wir aus, denn wir zischen einfach nur nach oben.

Der kleine Beifahrer ist so verliebt, dass er nicht mal am Strand aussteigen will. Der ist aber so schön, dass er einfach muss. Kaum eine Menschenseele hier am Morgen. Feiner Sand, so weit das Auge reicht.

Ich übersetze. Links mit Hose baden. Rechts FKK.

Bei jedem nackten Popo kreischt unser kleiner Kerl auf vor Begeisterung. Sieht man ja nicht alle Tage.

Und weil der Copilot so begeistert ist jagt er uns mehrfach über die Insel und wir freuen uns tatsächlich als wir nach Stunden Radfahren wieder aufrecht stehen dürfen. Nachdem ich zu Hause den Preis des tollen Rads recherchiert habe, verabschiede ich mich nicht nur heute, sondern leider auch für immer von der Idee die Stuttgarter Hügel mit einem Turbo zu erklimmen.

Und so sagen wir Byebye Norderney.

Trotz des Schlagersongs würde ich nicht soweit gehen, es als mein Hawaii zu bezeichnen, aber wenn man erstmal da ist und vielleicht doch eine Windjacke besitzt, dann kann es doch ziemlich schön sein.

Ein Kommentar

  • Nordlicht

    Moinsen,
    “Norderney ist mein Hawaii”.
    Mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen.
    Kommt sehr gerne wieder auf unsere schönen Inseln.
    Auch Borkum ist z.B. immer eine Reise wert.

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