
Früher Party heute Wandern – Mallorca mit Kind
Wer selbst Elternteil ist der weiß, wie kurz die gemeinsamen Familienmomente sind. Zu sehr wird der Alltag von notwenigen Aufgaben dominiert, kaum Spiel für Ausflüge abseits der Pflichten. Nicht selten fallen wir abends nach dem langen Einschlafritual aufs Sofa und würden so gerne den Abend genießen, ein Glas Wein, einen Film, eine Unterhaltung, doch meist nach dem ersten Anstoßen werden die Lider schwer und es zieht uns ins weiche Nest unseres Schlafzimmers. Um so wichtiger ist Urlaub. Gemeinsame Momente erschaffen. Zu dritt die Zeit verbringen von früh bis spät und nach dem Essen einfach aufstehen ohne davor gekocht zu haben und danach spülen zu müssen. Wir haben uns spontan entschieden. Viele Möglichkeiten hat uns das Reiseportal zur Hauptsaison nicht mehr eröffnet, aber wir freuen uns auf eine knappe Woche auf der Balearen Insel.
Das erste Mal Fliegen, die Feuerprobe für unseren kleinen Mann, ob wir demnächst eine große Reise wagen können. Erster Vorteil einer Flugreise: er darf auch 15 kg Gepäck mitnehmen, so füllen wir sein Köfferchen noch mit ein paar extra Kleidungsstücken von uns. Am Flughafen erwartet uns eine Schlange die sofort schlechte Laune auslöst. Zwei Stunden vor Abflug waren wir da, als wir am Gate ankommen hat das Boarding dennoch bereits begonnen. Mini ist endlich eingeschlafen, doch was hilft es, wenn man ihn am Gate aus dem Wagen holen muss, um diesen durch den Scanner jagen zu können? Unser kleiner Mann sitzt bei uns auf dem Schoß, Bestechungswaffeln, Quetschie und Wasser für den Druckausgleich im Handgepäck.
Die erste Stunde läuft prima. Was hatten wir nur befürchtet? Er hat nicht geweint, der rote Sitzgurt fasziniert ihn und die Waffeln werden verschlungen. Dann wird es ihm aber doch plötzlich zu eintönig auf Mamas Schoß und er will auf den Boden. Klar, wer endlich krabbeln kann will die Welt entdecken. Leider ist der Miniaturgang dieses Fliegers ein denkbar ungeschickter Übungsplatz. Was kümmert es den Minimann, unbeirrt erkrabbelt er sich den Gang, allen Toilettengängern und Getränketrolleys zum Trotz. Dass ihn fremde Menschen anstrahlen, wenn er sich an ihrem Sitz hochzieht, spornt ihn zusätzlich an. Da wir keinen Gangplatz haben werden auch Handtasche und Beine der Dame neben uns überstiegen. Das geht wirklich nicht. Wir ziehen ihn zu uns zurück, entschuldigen uns, wildes trotziges Toben als Antwort und gellendes Kreischen. Wir entschuldigen uns nochmal. Dann geschieht etwas, das mich Staunen lässt. Die Dame fragt um Erlaubnis und spaziert mit ihm die erste Reihe entlang. Sie sagt, sie liebt Kinder. Sie drängelt schon immer ihre 29-jährige Tochter nach Nachwuchs. Minimann hat Glück. Er darf mit der Leih-Oma hinter den Vorhang spicken, die Tochter beim Lesen stören und immer wenn er mit seinem kleinen Diktatorfinger nach oben zeigt, fischt sie ihm eine neue TUI Flugzeug Postkarte aus der Halterung, die er dann seinem Papa bringt, der bald einen Laden damit eröffnen kann. Wow, wir können uns etwas entspannen, das hätte auch anders laufen können.
Irgendwann ist aber auch dieses Abenteuer beendet und die Müdigkeit und Reiseturbulenz zeichnen ihre Spuren. Der Minimann wird knatschig, wer kann es ihm verdenken? Irgendwie kriegen wir dennoch die zweite Stunde dann auch noch rum. Entspannt ist aber anders. Am Gepäckband neue Euphorie, am Koffer hochziehen und damit losrollen weckt neue Lebensgeister. Die Warterei aufs Gepäck ist überbrückt. Leider erneuter Schimpfanfall, weil Papa sich erdreistet, irgendwann den Koffer selbst zum Ausgang zu schieben, statt dies vom Minimann Ende des Tages erledigen zu lassen. Wir warten nicht lange, dann werden wir abgeholt und zum Mietwagencenter gebracht. Während der Papa die Papiere unterschreibt, hat der Minimann alle Flyer und Auslagen der Mallorca Touristik Branche verwüstet und Mama räumt auf Knien die zerknitterten Werbezettel wieder in die Boxen. Minimann lacht und wedelt. Als er erneut darauf zuflitzt, hält ihn ein deutliches Nein davon ab, na immerhin. Dann darf Papa Tetris spielen und unser zahlreiches Gepäck in sein Worst-Case-Mietwagen-Szenario einräumen: Fiat 500. Voll süß, gefällt mir. Ein eindeutiger Hinweis, dass Papa damit nie glücklich werden wird. Nach einer knappen halben Stunde erklimmen wir ein paar letzte Serpentinen und sind im malerischen Valldemossa angekommen. Die schwarze Flitzekugel hat uns schnell und sicher ins Domizil gebracht. Vielleicht freundet sich Papa doch noch mit ihr an. Gerade noch rechtzeitig kommen wir in unser Zimmer, um einen letzten Blick auf die untergehende Sonne zu erhaschen, bevor wir alle drei müde und erschöpft ins Bett fallen.
Guten Morgen Valldemossa. Pünktlich wie ein Uhrwerk weckt uns der Zwerg um sieben. Wir sind die ersten beim Frühstück und genießen die Ruhe. Der einzige Moment, der mir wirklich im Familienleben fehlt, ist mein Morgenkaffee in aller Stille und Ruhe, etwas das trotz väterlichen Einsatzes nicht annähernd mehr möglich ist. Einer isst immer alleine, weil der andere füttert, dann darf der Zweite wieder essen und Nummer eins darf rumtragen und entdecken gehen. Dann kommt schon das erste Müdigkeitsanzeichen und man verschwindet am besten, bevor die kinderlosen Paare das verständnislose Kopfschütteln beginnen.
Wir planen eine kleine Wanderung, der erste Ausflug mit der Kraxe.
Mit unserem schwarzen Kugelblitz sausen wir hinab nach Valdemossa und wandern los. Die Beschilderung erinnert uns an Kuba – es gibt nämlich keine. So laufen wir einige Male eigenartige Wege, mal an der Straße, mal an idyllischen Häuschen vorbei, kehren irgendwann um und beschließen doch lieber das Dörflein zu besichtigen. Die Schlafmütze hat längst den Kopf nach vorn gebeugt und schnarcht.
Valldemossa ist traumhaft, malerische kleine Gässchen, jedes Haus mit Gedenktäfelchen der Heiligen Santa Catalina verziert und Girlanden mit Lampions tanzen im Wind. Es jauchzt aus der Trage.
Wir entdecken eine kleine Bäckerei und testen das ortsansässige typische Kartoffelbrötchen “Coca de Patatas”, für den Junior natürlich ohne Puderzucker. Schmeckt himmlisch, morgen kommen wir wieder.
Wir besichtigen die Kirche von Sant Bartomeu, laufen vorbei am Geburtshaus der Heiligen Catalina und am und direkt neben der Kartause genießen wir die Brötchen auf einer schattigen Steinbank in einem kleinen Park.
Dann wird es Zeit dass der Minimann das Meer sieht, so sausen wir Richtung Süden zum Playa Santa Ponça, menschenvoll und touristisch überlaufen, aber mit schönen schattenspendenen Pinienbäumen. Euphorisch wird gesandelt, gekrabbelt, gelacht. Als die dicken Beinchen die erste Meereswoge kennenlernen, ein kurzer Rückzieher auf Mamas Schoß, dann Kopf voraus ins kühle Nass. Es gluckst, es kreischt, es fuchtelt, es lacht. Pure Lebensfreude. Strahlender Sonnenschein und ein laut lachendes Kind in den Armen, was kann eigentlich schöner sein?
Wir machen uns frisch und bummeln durch die kleinen Gässchen von Valldemossa, hier soll die Tapasbar Quita Penas sein. Wir entdecken sie in einer Seitenstraße und genießen verschiedene Brote unkompliziert auf Kissen und kleinen Tischchen im Freien auf der Treppe. Die Besitzerin teilt noch das Rezept für ihre unfassbar leckere Tomatenmarmelde mit uns, dann sind wir auch bereits wieder auf dem Rückweg ins Hotel.
Es ist schon Dienstag. Heute fahren wir nach Sóller und von dort aus mit dem Roten Blitz, der alten Bimmelbahn bis Puerto Sóller. Das Städtchen ist nett, aber nicht überragend. Massen an Menschen tummeln sich am Bahnsteig. Die gekauften Coca de Patatas sind bretthart und ohne Wasser nicht runter zu spülen.
Die Fahrt ist nett, der Wind saust um die Ohren, landschaftlich eher kein erwähnenswerter Moment, aber unser Sohn lacht sich tot, winkt allen Menschen zu und zeigt begeistert auf alles mit dem Finger. Jeder Euro wert diese Fahrt.
Auch Puerto Soller und der dortige Strand sind ok, aber nicht wirklich so traumhaft, dass sich all die Menschenmassen erklären ließen. Souvenirstände und Touristencafés säumen den Hafen und gleichen jedem x-beliebigen spanischen Ferienort. So fahren wir nochmal Richtung Palma, genießen bei angenehm warmen bewölktem Klima den Stadtstrand und lassen den Abend erneut mit Tapas ausklingen.
Heute Nacht hat es geregnet. In der Früh ist es deutlich kühler. Perfekt für eine Wanderung am Morgen. Der schwarze Kugelblitz bringt uns nach Aláro. Nach einer nicht enden wollenden Serpentinenstrecke, die das Frühstück in mir nur so tanzen lässt, parken wir die Kugel neben einer Finca.
Der Minimann beobachtet staunend die grasenden kleinen Lämmer und mäht zurück. Wir wandern los, umgeben von einem laut tosenden Zirpen der Grillen. Der Aufstieg ist steil, erneut merke ich, dass dies eine völlig neue Art des Urlaubs für mich ist. Und nicht nur daran, dass meine bequemsten Schuhe glitzern – es sind wohl JIMMY WandersCHOOs.
Der Minimann quäkt, erste Langeweile in Sicht. Ich gebe ihm einen Zapfen in die Hand, der erst ausgiebig untersucht und dann dazu genutzt wird dem Papa die Haare zu kämmen.
Es wird steiler und der Weg unebener. Wir schwitzen. Das Castell scheint in weiter Ferne. Immer weiter, immer weiter. Irgendwann sind wir oben. Der Ausblick ist fantastisch.
Wir stärken uns mit ein paar Keksen dann geht es einen anderen Weg zurück. Der Abstieg ist immer leichter. Wir kehren in die leicht gealterte Finca ein und erhalten mit wortkarger Bedienung, in Scheunenatmosphäre mäßig leckere Kartoffeln für den Minimann. Wenigstens unsere Cola ist schön kühl, immerhin.
Teil zwei des Tages heißt wieder Strand. Heute erkunden wir Alcúdia. Auch hier wieder Menschenmassen am feinpudrigen Sandstrand, aber wen kümmert es, wenn es unter dem Sonnenschirm bereits wieder fröhlich gegluckst und fleißig die Sandschaufel geschwungen wird?
Kaum zu fassen, der letzte Tag hier bricht an. Warum vergeht im Urlaub die Zeit immer schneller als zu Hause? Wir bummeln durch Palma´s Altstadt und stärken uns mit einer Kleinigkeit im angesagten Café Cappuccino, dessen Freundlichkeit der Mitarbeiter und Preis-Leistung nicht annähernd zum schönen Innenhof passt. Unser kleiner Mann genießt den Krabbelparcours durch Stuhlbeine und erklimmt zum ersten Mal selbstständig einige Treppenstufen. Diesen Erfolg feiert er wild winkend. Wir winken mit.
Ist wirklich schon wieder eine Woche vergangen? Wehmütig blicken wir aufs klare Meer, während der Treppensteiger zum letzten Mal im Sand buddelt. Morgen früh um halb sechs heißt es Abfahrt, wir werden sicher müde sein. Und dann noch der Flug. Wir seufzen innerlich. Dann müssen wir beide lächeln. Denn für sein glückliches Kreischen im Zug und im Meer – jede Strapaze wert!

