Als ich mit unserem ersten Kind schwanger war, zeichnete sich schon ab, was uns heute wirklich Kopfzerbrechen bereitet: Wir sind umgeben von Menschen, die es gut mit uns meinen. Die uns eine Freude bereiten wollen,
Alle wollen so gerne etwas Schenken.
Trauriges Resümee nach der Geburt:
11 Rasseln. Eine schöner wie die andere. Keine einzige wollte unser Sohn jemals nehmen.
14 Paar Lauflernschuhe. Alle cool. Alle total niedlich. Unser Sohn lief erst mit zwei Jahren. Alle Schuhe waren viel zu klein.
Was damals traurig und wie Pech wirkte, wurde leider zur Routine. Denn das Schenken hört nicht auf. Die Nachbarin mit einer Kiste voller Klamotten, die Freundin mit allen Spielsachen ihrer nun drei ausgewachsenen Töchtern. Und all den Sachen, die noch neu gekauft wurden. Ein Kind löst geradezu einen Kaufrausch aus.
Fast vier Jahre und viele Diskussionen später bin ich es leid. Immer wieder gegen Entscheidungen ankämpfen zu müssen, die uns Eltern außer acht lassen und unsere Erziehungsmethodik hintergehen. Die endlosen Vorwürfe. “Nie darf ich was kaufen” immer kurz vor Weihnachten, dem Kindergartenstart und dem Geburtstag.
Diese Vielzahl an Kram nimmt im Kinderzimmer nicht nur jeden erdenklichen Platz weg, sondern auch jegliche Fantasie bei unserem Sohn. Während die Figur heute mal Feuerwehrfrau und morgen Mama mit Baby dargestellt hat, ist dies ab dem Moment der Anschaffung einer Feuerwehr vorbei. Dann kann nur noch die Feuerwehr die Feuerwehr spielen.
Beim Geburtstag kommen die Kinder regelrecht in einen Rausch des Pakete Aufreißens, der Inhalt finde nur kurz Beachtung, weil ja der nächste Impuls direkt daneben steht. Am ersten und zweiten Geburtstag war unser Sohn so überfordert, dass er kein einziges Geschenk überhaupt auspacken wollte.
Da haben wir für uns bewusst gemerkt, dass wir das so nicht weiterführen möchten. Ab sofort ein großes Geschenk von allen.
Liebe Großeltern, liebe Tanten und Onkel, liebe Freunde, liebe Nachbarn, liebe Kollegen:
Wir platzen aus allen Nähten.
Wir möchten nicht sagen zu müssen, dass der kratzige Schurwollpullunder nicht an unser Kind rankommt, auch wenn Tante Lisbeth für euch damals so lang daran gestrickt hat.
Keine doppelt geschenkten Sachen bei Portalen verkaufen müssen, diese fotografieren, verpacken, zur Post zu schleppen, um final ein Zehntel dessen was es gekostet hat in das Sparschwein unseres Kindes einzuwerfen.
“Meine Oma Emmi ist die Beste, weil sie mir so viele Sachen schenkt.”
Wünschen wir uns das für unser Enkelkind wirklich? Woran wird unser Sohn denken, wenn er einmal groß ist?
Hatte der Onkel Lust mit mir auf dem Boden zu sitzen und zu spielen? War Oma nimmermüde auch zum fünften Mal das schöne Buch vorzulesen? Durfte ich beim Kochen in der Küche mithelfen und alles probieren? Und Mann war das aufregend, als ich mit Opa zusammen Feuer gemacht habe.
Es geht uns allen selbst so. Ich erinnere mich zwar noch an meine Enttäuschung über die nicht bekommenen Sandalen in rosa. Aber ich kann mich an kein einziges meiner Geschenke aus der Kindheit erinnern von meinen Großeltern oder Tanten erinnern. Tante und Oma sind an Weihnachten mit einem Wäschekorb voller Geschenke bei uns aufgelaufen, das sehe ich anhand der alten Fotos im Album.
Aber ich weiß nicht mehr, was es war.
Ich erinnere mich dafür an die hunderte leeren Suppenbecher, aus denen ich meterhohe Türme baute und dann mit dem Ball zum einstürzen brachte. An die kleinen Walderdbeeren, die wir beim Spaziergang naschten. An den Bauernhof, wo wir vom Dachgiebel in das Heu sprangen. Dass sich meine Oma immer mit mir gefreut hat. Interesse an mir hatte. Meine Noten lobte, meine Bilder aufhängte. Meine Tante Heide bis heute keinen Geburtstag vergessen hat und eine Karte schreibt, egal wo ich wohnte. Daran erinnere ich mich. Nicht an die elfte Puppe in meinem Puppenhaus.
Also hier mein Rat an euch – Ihr wollt etwas schenken?
Schenkt Zeit. Schenkt Liebe. Schenkt Aufmerksamkeit. Schenkt gemeinsame Erlebnisse. Schenkt gemeinsames Lachen.
Das reicht nicht? Dann schenkt die bequemen Schuhe, mit denen er durch den Wald stapfen kann. Die Handschuhe für den ersten Schneemann. Die nötige Vesperbox für den Kindergarten. Die neue Badehose fürs Freibad. Und geht doch einfach mit.
Und wenn ihr mit ihm im Becken mit Sand buddelt und er quietscht vor Freude, wenn er euch nass spritzt, dann kauft ihm von mir aus ein extra großes Eis, das Mama nie geholt hätte und lasst euch feiern dafür, dass ihr einer der Menschen sein dürft, die er wirklich von Herzen liebt. Weil sie einfach für ihn da sind.
Steffi
•1 Jahr ago
Sehr schöner Text. Kann ich auch nur so unterschreiben, wir machen es genauso 🙂
LG
Kerrilotta
•1 Jahr ago
Danke :-* dass freut mich sehr!